Wer ein Logo entwirft oder Corporate-Design-Farben definiert, steht früher oder später vor der Frage: Pantone oder HKS? Beide Sonderfarben-Systeme versprechen exakte, reproduzierbare Farben über verschiedene Druckaufträge und Jahre hinweg. Doch während sie auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, unterscheiden sie sich fundamental in Philosophie, Anwendung und Kosten. Und seit 2022 hat sich die Situation durch drastische Lizenzänderungen bei Pantone zusätzlich verschärft.
Dieser Artikel erklärt die Unterschiede zwischen beiden Systemen, zeigt ihre jeweiligen Stärken und Schwächen auf und gibt klare Entscheidungshilfen für die Praxis.
Was sind Sonderfarben überhaupt?
Bevor wir in die Details gehen, zur Grundlage: Im klassischen Vierfarbdruck (CMYK) werden alle Farben aus den vier Prozessfarben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz gemischt. Diese Mischung erfolgt durch Rasterpunkte – aus der Entfernung verschmelzen die Punkte im Auge zu einem Farbeindruck.
Das Problem: Nicht alle Farben lassen sich im CMYK-Farbraum darstellen. Besonders leuchtende, gesättigte Farben, Metallic-Töne oder spezielle Nuancen liegen außerhalb des darstellbaren Spektrums. Zudem können minimale Schwankungen in der CMYK-Mischung zu sichtbar unterschiedlichen Ergebnissen führen – problematisch für Corporate-Farben, die über Jahre hinweg identisch aussehen müssen.
Sonderfarben (auch Volltonfarben oder Schmuckfarben genannt) sind fertig gemischte Druckfarben, die als eigenständige Farbe gedruckt werden – nicht gerastert, sondern als durchgängige Farbfläche. Sie werden zusätzlich zu CMYK im 5. oder 6. Druckwerk aufgetragen. Das Ergebnis: exakte, wiederholbare Farben, die über Jahrzehnte hinweg identisch reproduziert werden können.
HKS – Das deutsche Präzisionssystem
Geschichte und Philosophie
HKS steht für die drei Gründungsfirmen: Hostmann-Steinberg Druckfarben, Kast + Ehinger Druckfarben und H. Schmincke & Co. Das System wurde 1968 speziell für die grafische Industrie entwickelt – von Druckfarbenherstellern für Drucker und Designer.
Die Philosophie von HKS ist: Gleiches visuelles Ergebnis auf verschiedenen Papieren durch unterschiedliche Farbmischungen. Das klingt zunächst paradox, ist aber genial: Da unterschiedliche Papiere Farbe unterschiedlich absorbieren und reflektieren, würde dieselbe Farbmischung auf Naturpapier anders aussehen als auf gestrichenem Hochglanzpapier. HKS löst das Problem, indem das Mischverhältnis für jede Papiersorte so angepasst wird, dass die Farbe visuell gleich aussieht.
Die HKS-Farbfächer
HKS bietet vier verschiedene Farbfächer für verschiedene Papiersorten:
- HKS K (Kunstdruckpapier): Gestrichenes, glänzendes Papier
- HKS N (Naturpapier): Ungestrichenes, mattes Papier
- HKS Z (Zeitungsdruckpapier): Saugfähiges, gelbliches Papier
- HKS E (Endlospapier): Für Endlosformulare
Jeder Fächer enthält 88 Basisfarben mit jeweils 39 Nuancen, was insgesamt 3.520 Volltonfarben ergibt.
Das Besondere: HKS 13 K (auf Kunstdruckpapier) hat eine andere Farbrezeptur als HKS 13 N (auf Naturpapier), aber beide sehen visuell gleich aus. Vergleicht man die CMYK-Simulation:
- HKS 13 K: 0/100/95/0
- HKS 13 N: 0/70/60/0
Die Farbe ist dieselbe, die Rezeptur unterschiedlich – angepasst an das Papier.
Technische Besonderheiten von HKS
Optimierung für Offsetdruck: HKS wurde speziell für Offset- und klassische Druckverfahren entwickelt. Die Farben sind auf Reproduzierbarkeit und Beständigkeit optimiert.
Hohe Lichtbeständigkeit: HKS-Farben erreichen höchste Beständigkeitsklassen nach ISO-Normen – wichtig für langlebige Druckprodukte.
CMYK-Simulation: HKS bietet durchdachte CMYK-Annäherungen, die oft näher am Original liegen als Pantone-Simulationen.
Europäischer Standard: HKS ist besonders im deutschsprachigen Raum verbreitet und wird von praktisch allen europäischen Druckereien unterstützt.
Kosten
HKS-Farbfächer sind vergleichsweise günstig:
- Basis-Farbfächer (88 Farben): ca. 20-30 Euro
- HKS 3000+ K (3.520 Volltonfarben für gestrichenes Papier): ca. 60 Euro
Keine Abo-Gebühren, keine digitalen Lizenzen – einmal kaufen, dauerhaft nutzen.
Pantone – Das globale System
Geschichte und Philosophie
Pantone wurde 1963 vom gleichnamigen US-amerikanischen Unternehmen entwickelt, ursprünglich für die Modebranche. Das Ziel war ein universelles Farbangleichungssystem, das über Branchen und Kontinente hinweg funktioniert.
Die Philosophie von Pantone unterscheidet sich fundamental von HKS: Gleiches Farbrezept auf allen Materialien.Pantone verwendet für jeden Farbton dieselbe Farbmischung, unabhängig vom Untergrund. Das Ergebnis: Der visuelle Farbeindruck variiert je nach Material.
Die Pantone-Farbfächer
Pantone bietet zahlreiche Systeme für verschiedene Anwendungen:
Pantone Matching System (PMS): Das Basis-System mit 1.755 Sonderfarben
Pantone Plus Series: Erweitert um CMYK-Simulationen, zeigt 2.868 Farben
Pantone Coated (C): Für gestrichenes Papier Pantone Uncoated (U): Für ungestrichenes Papier
Pantone Matte (M): Für mattes Papier
Zusätzlich gibt es Spezialsysteme:
- Metallic Colors
- Neon Colors
- Pastel Colors
- Fashion, Home + Interiors (für Textilien)
- Plastik und weitere Materialien
Das Pantone-Prinzip
Bei Pantone 485 C (Coca-Cola Rot) ist die Farbrezeptur auf allen Papieren identisch. Auf gestrichenem Papier sieht die Farbe anders aus als auf ungestrichenem – deshalb gibt es separate Farbfächer (C, U, M), die zeigen, wie die Farbe auf dem jeweiligen Material aussieht.
Will man visuell identische Ergebnisse auf unterschiedlichen Papieren, muss man unterschiedliche Pantone-Nummern wählen.
Technische Besonderheiten von Pantone
Mehr Grundfarben: Pantone verwendet mehr Grundfarben als HKS, was eine feinere Abstufung und größere Farbvielfalt ermöglicht.
Globale Verbreitung: Pantone ist weltweit der Standard, besonders in den USA, Asien und der Modeindustrie.
Materialvielfalt: Pantone-Systeme existieren für Papier, Stoff, Plastik, Leder – ideal für Marken mit vielfältigen Produkten.
Pantone Color of the Year: Jährlich wird eine Trendfarbe gekürt (2022: Very Peri), was Pantone auch kulturell relevant macht.
Die Lizenz-Katastrophe 2022
Hier wird es problematisch. Im November 2022 änderte Pantone fundamental sein Lizenzmodell:
Was geschah:
- Adobe entfernte fast alle Pantone-Farbbibliotheken aus Photoshop, Illustrator und InDesign
- Nur drei Farbbücher blieben kostenlos: „Pantone + CMYK beschichtet“, „Pantone + CMYK unbeschichtet“ und „Pantone + metallisch beschichtet“
- Alle anderen Pantone-Farben erfordern das kostenpflichtige Pantone Connect-Plugin
Die Konsequenz:
- Dateien mit Pantone-Farben zeigen nur noch schwarze Flächen – auch 20 Jahre alte Dateien!
- Designer erhalten eine Fehlermeldung und werden aufgefordert, ein Abo abzuschließen
Die Kosten:
- 14,99 Euro/Monat oder 89,99 Euro/Jahr (für Einzelpersonen)
- Geschäftskunden zahlen mehr
- Das kommt zusätzlich zur Adobe Creative Cloud (ca. 60 Euro/Monat)
Die Reaktion: Das Pantone Connect-Plugin hat auf Adobe Exchange durchschnittlich 1,5 von 5 Sternen – die Nutzer sind empört. Von „Zerstörung von Eigentum“ bis „Geldgier“ reichen die Kommentare.
Pantone schiebt die Schuld auf Adobe, Adobe auf Pantone. Die Verlierer sind die Nutzer.
Der direkte Vergleich
HKS-Ansatz vs. Pantone-Ansatz
HKS: Verschiedene Rezepturen → gleiches visuelles Ergebnis Pantone: Gleiche Rezeptur → verschiedenes visuelles Ergebnis
Beispiel: Ich will ein bestimmtes Rot auf Kunstdruck- und Naturpapier drucken, und es soll jeweils gleich aussehen.
- HKS: Ich wähle HKS 13 für beide Papiere. Die Druckerei mischt unterschiedliche Rezepturen, das Ergebnis sieht gleich aus.
- Pantone: Ich wähle Pantone 485 C für Kunstdruck. Auf Naturpapier sieht es anders aus, also wähle ich eine andere Pantone-Nummer (z.B. Pantone 186 U), um visuell ähnlich zu sein.
Verbreitung und Akzeptanz
HKS:
- Dominant im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)
- Standard bei europäischen Druckereien
- In Übersee weitgehend unbekannt
Pantone:
- Weltweit verbreitet, besonders USA und Asien
- Standard in der Modebranche, Textilindustrie
- International das bekanntere System
Kostenvergleich
HKS:
- Farbfächer: 20-60 Euro (einmalig)
- Keine laufenden Kosten
- Keine digitalen Lizenzen nötig
Pantone:
- Formula Guide (1.900 Farben): ca. 168 Euro
- Pantone Connect (digital): 90 Euro/Jahr zusätzlich
- Regelmäßige Updates der Farbfächer empfohlen (alle 12-18 Monate, da Farben ausbleichen)
CMYK-Simulation
HKS:
- Durchdachte CMYK-Annäherungen
- Oft näher am Original
- Optimiert für europäische Druckstandards (PSO Coated)
Pantone:
- Pantone Bridge zeigt CMYK-Simulationen
- Teilweise deutlich Abweichungen
- Manche Pantone-Farben sind in CMYK nicht sinnvoll darstellbar
Wann HKS, wann Pantone? Die Entscheidungsmatrix
HKS ist die richtige Wahl, wenn:
✓ Der Hauptmarkt Deutschland/Europa ist
✓ Print-Produktion primär in Europa stattfindet
✓ Kosten eine Rolle spielen (keine Abo-Gebühren)
✓ Verschiedene Papiere genutzt werden (Kunstdruck, Natur)
✓ Man sich nicht von Adobe/Pantone-Lizenzen abhängig machen will
✓ Klassischer Offsetdruck die Hauptproduktion ist
Typische Anwendungen:
- Regionale/nationale Unternehmen
- Mittelstand, KMUs
- Verlage, Magazine (Deutschland)
- Verpackungen für den europäischen Markt
- Öffentliche Einrichtungen, Behörden
Pantone ist die richtige Wahl, wenn:
✓ Internationale Produktion nötig ist (USA, Asien)
✓ Die Marke global agiert
✓ Produkte über verschiedene Materialien hinweg (Papier, Stoff, Plastik)
✓ Die Modeindustrie involviert ist
✓ Maximale Farbvielfalt gewünscht ist
✓ Man bereit ist, für digitale Lizenzen zu zahlen
Typische Anwendungen:
- Globale Marken (Coca-Cola, IKEA)
- Modeindustrie, Textilien
- Verpackungen mit internationaler Produktion
- Produkte mit Materialvielfalt (Verpackung, Stoff, Plastik)
- Luxusmarken mit weltweiter Präsenz
Die Hybrid-Lösung
Viele große Marken definieren beide Systeme:
- Pantone für die internationale Kommunikation
- HKS als „technische Entsprechung“ für Europa
Beispiel: Eine Marke definiert ihre Hauptfarbe als Pantone 485 C (global) und gibt als europäische Entsprechung HKS 13 K an. Beide Farben sind visuell sehr ähnlich, aber nicht identisch.
Die Praxis: Wie arbeitet man mit Sonderfarben?
In Adobe Creative Cloud (nach November 2022)
HKS:
- Farbbibliotheken sind weiterhin kostenlos in Adobe integriert
- Fenster → Farbfelder → Farbfeldbibliotheken → HKS
- Funktioniert ohne zusätzliche Kosten
Pantone:
- Nur drei Farbbücher kostenlos verfügbar
- Für alle anderen: Pantone Connect-Plugin nötig (90 Euro/Jahr)
- Alte Dateien mit Pantone-Farben zeigen schwarze Flächen ohne Lizenz
Sonderfarbe richtig anlegen
- In InDesign/Illustrator: Farbfeld erstellen → Farbfeldtyp: „Vollton“
- Name exakt übernehmen: HKS 13 K oder Pantone 485 C (mit Leerzeichen und Suffix!)
- PDF-Export: Sonderfarbe darf nicht in CMYK konvertiert werden
- Druckerei informieren: Welche Sonderfarbe, welches Papier, welcher Farbfächer
Häufige Fehler
Fehler 1: Sonderfarbe als Prozessfarbe anlegen → Folge: Wird als CMYK gedruckt, nicht als Sonderfarbe
Fehler 2: Falsche Papier-Variante wählen → HKS 13 N auf Kunstdruckpapier gedruckt sieht anders aus
Fehler 3: CMYK-Simulation als „echt genug“ ansehen → Viele Sonderfarben sind in CMYK nicht darstellbar
Fehler 4: Pantone-Nummer ohne Suffix (C/U/M) → Druckerei weiß nicht, welches Papier gemeint ist
Fehler 5: Alte Farbfächer nutzen → Farben bleichen aus, nach 2 Jahren stimmen die Werte nicht mehr
Alternativen und Ausblicke
Freie Farbsysteme als Reaktion auf Pantone
Als Reaktion auf die Pantone-Lizenz-Änderungen entstanden alternative Systeme:
FreeTone von Stuart Semple: Eine Open-Source-Farbpalette, die „zufällig“ Pantone sehr ähnlich ist und kostenlos verfügbar ist.
BBCG (Better Brand Color Guides): Ein Projekt von Eddie Hagen, das auf offenen Farbspezifikationen basiert und Markenfarben für verschiedene Druckverfahren und Substrate definiert.
Diese Systeme sind noch jung und haben nicht die Akzeptanz etablierter Druckereien – aber die Bewegung wächst.
Die Zukunft der Sonderfarben
Digitaldruck und Expanded Gamut: Moderne Digitaldruckmaschinen mit 7 oder mehr Farben (CMYK + Orange, Grün, Violett) können viele Sonderfarben simulieren. Das reduziert den Bedarf an echten Sonderfarben.
Farbmanagement-Software: Tools wie X-Rite oder Datacolor ermöglichen präzise Farbmessung und -reproduktion, unabhängig von Farbsystemen.
Offene Standards: Die Industrie diskutiert zunehmend offene, lizenzfreie Farbstandards, um Abhängigkeiten zu reduzieren.
Fazit: Welches System ist besser?
Die Antwort ist unbefriedigend: Es kommt darauf an.
Für europäische, regional agierende Unternehmen ist HKS oft die bessere, günstigere und pragmatischere Wahl. Die Papier-Anpassung ist clever, die Kosten überschaubar, die Unterstützung bei Druckereien exzellent.
Für internationale, global agierende Marken ist Pantone trotz der Lizenzproblematik oft unvermeidbar – es ist der weltweite Standard, den jeder kennt.
Wer kann, definiert beide Systeme und gibt Äquivalente an.
Was sicher ist: Die Pantone-Lizenz-Änderungen von 2022 haben viele Designer und Unternehmen verärgert und zum Umdenken gezwungen. HKS profitiert davon, weil es weiterhin kostenfrei in Adobe integriert ist.
Für Mediengestalter bedeutet das: Beide Systeme verstehen, Vor- und Nachteile kennen, Kunden ehrlich beraten. Die Wahl des Farbsystems ist eine strategische Entscheidung mit langfristigen Konsequenzen – technisch, finanziell und organisatorisch.
Am Ende geht es nicht um „besser“ oder „schlechter“, sondern um die richtige Wahl für den spezifischen Anwendungsfall. Und diese Wahl sollte bewusst getroffen werden – mit vollem Wissen um die Unterschiede.











