Es ist ein Klassiker unter den Albträumen jedes Mediengestalters: Das leuchtende Blau auf dem Monitor wird zu einem matten Grau-Blau im Druck. Das strahlende Rot der Corporate Identity wirkt auf der gedruckten Visitenkarte stumpf und leblos. Der Kunde ist enttäuscht, die Druckerei zuckt mit den Schultern, und man selbst steht ratlos vor dem Problem. Die Ursache? Fehlendes oder falsches Farbmanagement.
Farbmanagement ist eines der technisch anspruchsvollsten Themen in der Mediengestaltung – und gleichzeitig eines der wichtigsten. Wer die Grundlagen versteht und ein paar essenzielle Regeln beachtet, kann die meisten Farbprobleme vermeiden, bevor sie entstehen.
Warum sehen Farben überall anders aus?
Das Grundproblem der Farbwiedergabe liegt in der Natur der verschiedenen Farbmodelle. RGB (Rot, Grün, Blau) ist ein additives Farbmodell, das auf der Mischung von Licht basiert. Bildschirme erzeugen Farben, indem sie rote, grüne und blaue Lichtpunkte in unterschiedlichen Intensitäten kombinieren. Je mehr Licht, desto heller die Farbe – Weiß entsteht durch maximale Intensität aller drei Farben.
CMYK (Cyan, Magenta, Yellow, Key/Schwarz) hingegen ist ein subtraktives Farbmodell für den Druck. Hier werden Farben durch das Aufbringen von Druckfarben auf (meist weißes) Papier erzeugt. Jede Farbschicht absorbiert bestimmte Wellenlängen des Lichts und reflektiert andere. Je mehr Farbe aufgetragen wird, desto dunkler wird das Ergebnis.
Der RGB-Farbraum kann deutlich mehr Farben darstellen als CMYK – besonders bei gesättigten, leuchtenden Farben. Intensives Orange, grelles Neongrün oder leuchtendes Cyan sind im RGB-Raum problemlos darstellbar, lassen sich aber nicht in CMYK reproduzieren. Hier liegt die Wurzel der meisten Farbprobleme.
Farbräume verstehen: sRGB, Adobe RGB und ISO Coated
Innerhalb von RGB und CMYK gibt es verschiedene Farbräume mit unterschiedlich großem Farbumfang (Gamut):
sRGB ist der kleinste und am weitesten verbreitete RGB-Farbraum. Er wurde für das Internet und Standardmonitore entwickelt und ist der sichere Standard für alles, was nur digital angezeigt wird. Wer für Web oder Social Media arbeitet, sollte in sRGB arbeiten.
Adobe RGB (1998) hat einen deutlich größeren Farbraum und umfasst mehr gesättigte Farben, besonders im Cyan- und Grünbereich. Dieser Farbraum ist ideal für Fotografen und für Projekte, die später gedruckt werden sollen, da er mehr der druckbaren Farben abdeckt.
ProPhoto RGB ist noch größer, umfasst aber auch viele Farben, die weder auf Monitoren noch im Druck darstellbar sind. Für die meisten Mediengestalter ist dieser Farbraum zu groß und unpraktisch.
Im CMYK-Bereich ist PSO Coated v3 der aktuelle europäische Standard für gestrichenes Papier (glänzend oder matt). Dieser hat den älteren ISO Coated v2 (ECI) abgelöst und sollte die Standardwahl für alle Printprojekte sein. Für ungestrichenes Papier (Naturpapier, Zeitungsdruck) gibt es entsprechend PSO Uncoated v3. Die älteren ISO-Profile (ISO Coated v2, FOGRA39) funktionieren zwar noch, PSO ist jedoch der modernere Standard.
Die Farbmanagement-Workflows in Adobe
Adobe hat das Farbmanagement in Photoshop, Illustrator und InDesign weitgehend vereinheitlicht. Die Einstellungen finden sich unter Bearbeiten > Farbeinstellungen (bzw. Edit > Color Settings).
Die wichtigsten Einstellungen:
Für reine Webprojekte:
- RGB-Arbeitsfarbbereich: sRGB IEC61966-2.1
- CMYK: deaktiviert oder irrelevant
- Farbmanagement-Richtlinien: RGB auf „Eingebettete Profile beibehalten“
Für Printprojekte:
- RGB-Arbeitsfarbbereich: Adobe RGB (1998)
- CMYK-Arbeitsfarbbereich: PSO Coated v3 (oder ISO Coated v2 für ältere Workflows)
- Farbmanagement-Richtlinien: Bei Profilabweichungen warnen
Die Option „Bei Profilabweichungen warnen“ ist entscheidend. Sie sorgt dafür, dass ein Dialog erscheint, wenn man eine Datei öffnet, deren eingebettetes Farbprofil nicht mit dem Arbeitsfarbraum übereinstimmt. So kann man bewusst entscheiden, wie mit der Datei umgegangen wird.
Der Konvertierungsprozess: Von RGB nach CMYK
Die Konvertierung von RGB nach CMYK ist der kritische Moment, in dem die meisten Farben ihre Leuchtkraft verlieren. Hier einige bewährte Strategien:
1. So früh wie möglich, aber so spät wie nötig
Die alte Regel „Immer in CMYK arbeiten, wenn es für Print ist“ ist überholt. Moderne Workflows empfehlen, in RGB zu arbeiten und erst am Ende nach CMYK zu konvertieren. Warum? RGB bietet mehr Flexibilität bei Korrekturen, Filter und Effekte funktionieren besser, und die Dateien sind kleiner. Erst wenn das Design finalisiert ist, sollte die Konvertierung erfolgen.
2. Die richtige Rendering-Methode wählen
Bei der Konvertierung in Photoshop (Bearbeiten > In Profil umwandeln) gibt es verschiedene Umrechnungsmethoden:
- Perzeptiv (Perceptual): Komprimiert den gesamten Farbraum proportional, erhält aber die Farbbeziehungen. Ideal für Fotos mit vielen gesättigten Farben.
- Relativ farbmetrisch (Relative Colorimetric): Verschiebt nur die Farben außerhalb des CMYK-Gamuts auf die nächstgelegene druckbare Farbe. Standard für die meisten Anwendungen.
- Sättigung (Saturation): Erhält die Farbsättigung, nicht die Farbgenauigkeit. Nur für Grafiken und Diagramme sinnvoll.
- Absolut farbmetrisch (Absolute Colorimetric): Für Proof-Zwecke, nicht für normale Konvertierungen.
In den meisten Fällen ist relativ farbmetrisch mit aktivierter Tiefenkompensierung die beste Wahl.
3. Selektive Farbkorrektur nach der Konvertierung
Nach der CMYK-Konvertierung sind gezielte Korrekturen oft unvermeidlich. Besonders kritisch sind:
- Hauttöne: Diese sollten wenig Cyan enthalten. Ein guter Richtwert ist 5-10% Cyan, 30-40% Magenta, 30-40% Yellow.
- Tiefes Schwarz: Reines K100 wirkt im Druck oft flau. Ein „Tiefschwarz“ besteht aus C40 M30 Y30 K100.
- Helle Flächen: In sehr hellen Bereichen sollte jede Farbe mindestens 5% haben, sonst drohen Ausfransungen und unruhige Flächen.
4. Farbauftrag im Blick behalten
Der Gesamtfarbauftrag (Total Ink Coverage/TIC) sollte 300% nicht überschreiten, besser sind 280%. Zu viel Farbe führt zu verlängerter Trocknungszeit, Durchschlagen auf der Rückseite und Ablegen (Farbübertragung auf die nächste Seite im Stapel). In Photoshop kann man das mit einer Ebene > Neue Einstellungsebene > Tonwertkorrekturenkontrollieren und mit gezielten Kurvenanpassungen reduzieren.
Softproof: Der virtuelle Probedruck
Eine der mächtigsten Funktionen in Photoshop ist der Softproof (Ansicht > Proof einrichten > Benutzerdefiniert). Hier kann man simulieren, wie das Bild im Druck aussehen wird – und das direkt am Monitor, bevor ein einziges Blatt Papier bedruckt wurde.
Wichtige Einstellungen für den Softproof:
- Zu simulierendes Gerät: PSO Coated v3 (oder das Profil, das die Druckerei vorgibt)
- Rendering-Priorität: Relativ farbmetrisch
- Tiefenkompensierung verwenden: aktiviert
- Papierweiß simulieren: Je nach Monitor sinnvoll, kann aber sehr flau wirken
Mit der Tastenkombination Strg/Cmd + Y kann man zwischen Normalansicht und Softproof hin- und herschalten. So sieht man sofort, welche Farben problematisch werden.
Der Softproof ersetzt keinen echten Proof-Druck, gibt aber eine gute erste Einschätzung und hilft, grobe Fehler frühzeitig zu erkennen.
Häufige Probleme und ihre Lösungen
Problem: Leuchtende Farben werden stumpf
Das ist unvermeidlich, wenn Farben außerhalb des CMYK-Gamuts liegen. Die Lösung ist nicht, sie aufzuhellen (das funktioniert nicht), sondern die Umgebung anzupassen. Oft wirkt eine Farbe nur deshalb stumpf, weil der Kontrast zur Umgebung verloren ging.
Problem: Grautöne bekommen einen Farbstich
Neutrale Grautöne sollten im CMYK nur aus K (Schwarz) bestehen. Wenn sie aus C, M und Y gemischt werden, sind Farbstiche fast unvermeidlich, da Druckmaschinen nie perfekt passen. Bei sehr dunklem Grau kann man einen minimalen Farbanteil hinzufügen (z.B. C5 M3 Y3 K70), aber bei mittleren und hellen Grautönen sollte man bei reinem K bleiben.
Problem: Unterschiedliche Monitore zeigen unterschiedliche Farben
Ohne Monitorkalibrierung ist verlässliches Farbmanagement unmöglich. Ein Hardware-Kalibrator wie der X-Rite i1Display Pro oder der Datacolor SpyderX kostet zwischen 150 und 300 Euro und ist eine der wichtigsten Investitionen für Mediengestalter. Die Kalibrierung sollte monatlich wiederholt werden.
Problem: Die Druckerei liefert andere Farben als erwartet
Kommunikation ist hier der Schlüssel. Vor Druckbeginn sollte geklärt werden:
- Welches CMYK-Profil verwendet die Druckerei?
- Auf welchem Papier wird gedruckt?
- Ist ein Proof (Probedruck) möglich?
- Welcher Gesamtfarbauftrag ist maximal möglich?
Ein verbindlicher Proof-Druck (ISO 12647-7) ist bei farbkritischen Projekten unverzichtbar und schützt beide Seiten vor Überraschungen.
Sonderfarben: Wenn CMYK nicht reicht
Für Farben außerhalb des CMYK-Gamuts gibt es Sonderfarben (Spot Colors), meist aus dem Pantone-System. Diese werden als zusätzliche Druckfarbe verwendet und ermöglichen brillante, leuchtende Farben, die im Vierfarbdruck nicht erreichbar sind.
Wichtig beim Einsatz von Sonderfarben:
- Jede zusätzliche Farbe erhöht die Druckkosten erheblich
- Sonderfarben müssen in InDesign oder Illustrator als „Volltonfarbe“ angelegt sein
- Bei der Dateiausgabe als PDF muss sichergestellt werden, dass die Sonderfarbe nicht in CMYK konvertiert wird
- Pantone-Farben haben unterschiedliche Nummern für gestrichene (C) und ungestrichene (U) Papiere
Für Logos oder Corporate-Farben sind Sonderfarben oft die beste Lösung, da sie über verschiedene Produktionen hinweg konstant reproduzierbar sind.
Farbmanagement für Web und Social Media
Auch für digitale Medien ist Farbmanagement wichtig, wenn auch einfacher. Die goldenen Regeln:
- Immer in sRGB arbeiten und exportieren
- Farbprofil einbetten („In sRGB konvertieren“ beim Export)
- Bei der Bildoptimierung für Web darauf achten, dass das Profil erhalten bleibt
- Mobile Geräte zeigen Farben oft gesättigter als Desktop-Monitore – im Zweifelsfall leicht entsättigen
Für Instagram, Facebook und Co. ist sRGB Pflicht. Wer in Adobe RGB hochlädt, riskiert automatische Konvertierungen, die zu unvorhersehbaren Farbverschiebungen führen.
Zusammenfassung: Die Checkliste für fehlerfreies Farbmanagement
✓ Arbeitsfarbraum korrekt einstellen: RGB (Adobe RGB für Print, sRGB für Web), CMYK (PSO Coated v3 oder nach Vorgabe der Druckerei)
✓ Farbprofile immer einbetten bei der Dateiausgabe
✓ Softproof nutzen, bevor Daten an die Druckerei gehen
✓ Monitor regelmäßig kalibrieren mit Hardware-Kalibrator
✓ Mit der Druckerei kommunizieren: Profil, Papier, Farbauftrag klären
✓ Gesamtfarbauftrag unter 300% halten
✓ Kritische Farben prüfen: Hauttöne, Grautöne, Tiefschwarz
✓ Bei Unsicherheit einen Proof-Druck anfordern
Farbmanagement mag zunächst technisch und kompliziert erscheinen, aber mit der richtigen Grundeinstellung und etwas Übung wird es zur Routine. Die Zeit, die man in korrektes Farbmanagement investiert, spart man mehrfach ein – durch weniger Reklamationen, zufriedenere Kunden und die Gewissheit, dass das gedruckte Ergebnis den Erwartungen entspricht.
In einer Branche, in der visuelle Exzellenz der Maßstab ist, ist verlässliches Farbmanagement keine Option – es ist eine Grundvoraussetzung für professionelle Arbeit.













